Zeitreise ins Jahr 1997: "Schwer trainierbare Kicker"

Als Trainer Franz-Josef Toth nach dem ersten Spieltag entlassen wurde

(wh) - Im sechsten Teil unserer Zeitreise drehen wir das Rad ins Jahr 1997 zurück, als Wacker-Coach Franz Josef Toth (links im Bild) bereits nach dem ersten Spieltag der Saison 97/98 entlassen und von Co-Trainer Manfred Oschwald (rechts) abgelöst wurde.

Franz-Josef Toth hatte die Mannschaft erst ein gutes halbes Jahr zuvor vom seinerzeit ebenfalls entlassenen Edgar Hess übernommen. Um mit ihr am Ende der Saison 96/97 die Vizemeisterschaft in der Landesliga zu feiern. Trotzdem fand er mit seinem kooperativen Stil wenig Anklang bei den "schwer trainierbaren" Kickern des FC Wacker und musste auf deren Druck hin gehen. Mit dem von ihnen gewünschten Nachfolger Manfred Oschwald (bis dahin Co-Trainer) landeten sie am Schluss der Saison 97/98 dann übrigens "nur" auf Platz sieben.

Die Schwäbische Zeitung berichtete im Sommer 1997:

„Wir teilen mit, dass Herr Manfred Oschwald, früherer Wacker-Spieler, ab sofort Trainer des Vızemeisters der Landesliga ist. Der bisherige Coach, Franz-Josef Toth, scheidet in gegenseitigem Einvernehmen gütlich aus", heißt es ın einer Pressemitteilung des FC Wacker Biberach.

Die mittlerweile geflügelten Worte vom „gegenseitıgen Einvernehmen“ sind allerdings dehnbare Begriffe. Zwar betonte Vereinschef Otto Schätzle gegenüber der SZ die „gütliche Trennung. Es war eine faire Sache. Wir haben uns ruhig unterhalten und sind zu dem Schluss gekommen, dass man sich trennt".

Doch aus der Stellungnahme von Franz-Josef Toth wird deutlich, dass sein Abschied zumindest nicht gerade freiwilliger Natur ist. „Mit der Vorstandschaft hatte ich keinerlei Probleme, eher mit einigen Spielern", erklärte Toth und sprach von „mangelnder Kooperations-Berereitschaft“ dieser Akteure. „Dıe sind viel zu egoistisch, um echte Teamarbeit zu leisten. Eben das war aber mein Anliegen gewesen. Machtkämpfe liegen mir nicht.“

Dennoch habe er bei dem entscheidenden Gespräch der Vorstandschaft „meine Bereitschaft signalisiert, weiterzumachen”, verbunden mit dem Hinweis, in Zukunft eine härtere Gangart einzuschlagen: „Das hätte bedeutet, dass ich über kurz oder lang den einen oder anderen Spieler rausgeworfen hätte. Da war der Verein in der altbekannten Zwickmühle: Entweder man trennt sich vom Trainer oder bald von einigen Spielern.“

Es traf natürlich den Trainer, der seine nur halbjährige Amtszeit beim FC Wacker als lehrreich betrachtet: „Künftig werde ich etwas vorsichtiger sein und mir die Mannschaft genauer anschauen. die ich übernehmen soll.“

Die verschiedenen Äußerungen des Ex-Trainers nimmt Otto Sdıätzle missbilligend zur Kenntnis: „Wir hatten eigentlich vereinbart, keine Details nach außen zugeben. Aber wenn Franz-Josef Toth meint, diese Dinge sagen zu müssen, ist das seine Angelegenheit.“

Die Entscheidung der Vorstandschaft stieß unterdessen ebenfalls auf Missbilligung und zwar innerhalb der Vereinsführung. „Der Zeitpunkt, der Inhalt der Entscheidung und die Vorgehensweise sind falsch“, meinte beispielsweise Ausschuss-Mitglied und Pressewart Winfried Hummler. Das Problem sei nicht der Trainer („Der hat gute Arbeit geleistet“), sondern ein paar Spieler. Außerdem habe es die Vorstandschaft versäumt, voran wenigstens die Meinung des Spielausschusses oder der Mitglieder des Gesamtausschusses einzuholen. Hummler beteuert, „dass er mit dieser Ansicht innerhalb der Vereinsführung nicht allein stehe und fügte an: „Anstatt dem Trainer Rückendeckung zu geben, hat sich die Vorstandschaft auch noch an den Diskussionen um ihn beteiligt.“ Otto Schätzle kommentierte die Einwürfe Hummlers mit der Bemerkung: „Der Zeitpunkt ist sicher nicht glücklich, aber bei so einer Entscheidung wohl immer der falsche. Und es mag sein, dass wir noch andere Meinungen hätten einholen sollen, aber die Situation hat nun mal schnelles Handeln erfordert. Bis man da jeden fragt … "

Zu Rate gezogen hat man sicher Torwart Marc Kohlhöfer, der ebenso wie Torjäger Holger Weiss zu jenen Spielern gehören dürfte, die Toth und Hummler ansprachen, aber namentlich nicht nennen wollten. „Für den Charakter der Wacker-Mannschaft war Toth nicht der richtige Mann. Er bevorzugt die leiseren Töne, doch wir brauchen einen Trainer, der uns immer wieder motiviert. Selbst ruhigere Spieler wie Volker Wussler hatten mit ihm ihre Probleme“, erklärte Marc Kohlhöfer gegenüber der SZ. Der Keeper ist überzeugt, dass mit dem seit dieser Saison als Co-Trainer fungierenden Manfred Oschwald künftig der richtige Mann am Ruder ist: „Er hat ein super Torwart-Training gemacht, und als es immer wieder Reibereien zwischen der Mannschaft und dem Trainer gab, war Oschwald die Kontaktperson. Er hat einen hervorragenden Draht zur Mannschaft."

Kommentar der SZ: "Schwer trainierbare Kicker"

Die Spatzen hatten es schon lange vor Saisonbeginn von den Dächern gepfiffen, insofern überrascht der Trainerwechsel beim FC Wacker Biberach nicht sonderlich. Wundern darf man sich allerdings schon über den Zeitpunkt der Trennung, denn wer mit einem Trainer in eine Saison startet, der schenkt ihm damit für gewöhnlich so viel Vertrauen, dass es für mehr als einen Spieltag reichen sollte. Doch ganz offensichtlich der Einfluss der vielzitierten „Mannschaftsteile” so groß, dass sich Schätzle & Co. dem Druck der Spieler beugen mussten.

Es mag sein, dass Franz-Josef Toth mit seinem kollegialen Stil nicht der richtige Mann für die schwierigen „Charakter-Typen“ des FC Wacker ist, aber da hätte die Vorstandschaft auch schon vor einem halben Jahr wissen müssen, als sie ihn verpflichtete. Und wenn Akteure wie Kohlhöfer mal zuerst einen Blick auf ihre Prämienabrechnung werfen würfen, dann bräuchten sie erst gar nicht nach einem Motivationskünstler zu rufen. Irgendwie passt es ins Bild, dass Toths Nachfolger Manfred Oschwald Sozialpädagoge von Beruf ist. Vielleicht wird er ja Herr über die schwer trainierbaren Kicker vom Erlenweg.

Das "Pamphlet" des Manfred Oschwald

Wie Manfred Oschwald tickte, geht aus einem seiner "Pamphlete" (O-Ton Oschwald) hervor: Die wortgewaltige Mitteilung wurde ein paar Monate vor seinem Rücktritt (im Frühjahr 1998) in der Stadionzeitung des FC Wacker verbreitet:

Der FC Wacker - ein fatales Objekt fußballerischer Begierde?

Man(n) - synonym in diesem Falle der Fußballer oder Trainer - hat es sich bestimmt nicht leicht gemacht. Da wird er lange Zeit unter ganz verschiedenen persönlichen und situativen Konstellationen im Verein um aktive Mitarbeit gebeten und äußert seine Vorstellungen und praktische Projektarbeit, bietet sein Engagement und „fußballerisches Herz“ und wird lange Zeit als der richtige Mann am falschen Ort behandelt (aus eigener Sicht positiv betrachtet).

Als er dann nach erfolgreicher Werbung einiger Entscheidungsträger im Verein co-funktionell einsteigt, mit dem sportlichen Bedürfnis eng mit dem Herzstück des Vereins, der LL-Mannschaft, zusammenzuarbeiten trifft er auf ganz spezielle personale und kommunikative Strukturen im Club.

„Als ob er das nicht schon vorher gewusst hätte", mag mancher denken und glauben, aber Erkenntnis ist nun mal Erfahrung im Prozess und Resultat. Und genau dies prägt der Verein im Umgang der mehr oder weniger Aktiven und Passiven unter- und miteinander. Es gibt keine Lokalität, wo man sie nicht trifft: die leidenschaftlichen Kritiker, die notorischen Besserwisser, die unter Sympathieallergie leidenden Missgünstler, die fatal-depressiven Zeitgenossen, die humorlos-frustrierten „Lonesome Riders", die scrabble-besessenen Wortklauber, die spaß- und freudlosen Streitsüchtigen, die solidarkranken Egomanen usw. und so fort. Da gibt es Möglichkeiten für Gerüchte, „Spielchen", Meinungen, Grüppchenbildungen, Beleidigungen, Provokationen und Pressemitteilungen ohne Ende. Dass dabei humaner Stil, Fairness und sozialer Respekt oft auf der Strecke bleiben, ist nicht nur das Ergebnis von Missverständnissen oder Fehlinterpretationen, sondern oft schlicht und ergreifend gewollt.

Jeder (auch der Schreiberling) tut sich hier mit seinem Engagement nicht leicht, trifft er doch auf manchmal sehr verhärtete und verkrustete Strukturen und Beziehungsmuster. Stellt er sich hier den Personen und Situationen als intellektueller Idiot (sprich: verbrämter ldealist), so kann er auf einige chemische Reaktionen gefasst sein. Also stellt er sich dem Schicksal und sucht die Auseinandersetzung futuremäßig, dynamisch nach vorne ausgerichtet und erfolgsbezogen und alle folgen ihm und der Wackerfahne mit solidarischem Gesang.

Weitgefehlt, er hat nicht mit der Macht des Fatalen und Unabänderlichen, von Personen unabhängig bestehenden Geschick eines typischen und deutschen Fußballvereines gerechnet. Ob Erfolg oder Misserfolg, das hängt letztlich mit den potenten ungewissen Mächten im Verein zusammen und kommt obligatorisch und zwangsläufig. Im Übrigen war das schon immer so und wird in Ewigkeit so bleiben. Amen.

Genug mit diesem Gequatsche, jetzt kommt meine Meinung: Dass gewisse Dinge so gelaufen sind, wie sie im Resultat bestehen (Franz-Josef, du weißt, was ich meine), ist für mich kein Grund den Spaß und die Lust am Fußball und am Traineramt zu verlieren. Selbst wenn der solidarische Rückhalt in der Mannschaft und in der Entscheidungsriege im Verein flöten geht, aber davon ist jeder Vergleichbare in meiner speziellen fußballerischen Situation abhängig. Selbst die unumgänglichen Konflikte und notwendigen Auseinandersetzungen laufen bisher unter konstruktiven Perspektiven und bringen Trainer und Mannschaft sowie einzelne Spieler zusammen. Wenn man fair bleibt und differenzierte Betrachtungen wahrt, sind selbst Trennungen auf solidarischer Ebene machbar.

Dass wir zum Ablauf der Vorrunde in der Spitzengruppe in Lauerstellung mitmischen, ist für mich das normale Ergebnis der Vorgaben und ändert nichts an der Tatsache, dass mein konzeptionelles Denken von Spiel zu Spiel noch eine gewisse Zeit andauern wird, bis die Mannschaft an Konstanz, Reife und Stabilität gewonnen hat. Welche Substanz und welches Potenzial in ihr steckt, wissen viele, die wenigsten sind sich aber bewuss, wie schwierig es ist, Homogenität und kreative Solidarität in einem Fußballteam zu erreichen, das immer auch von der Potenz individueller Fähigkeiten abhängig ist. Es ist aber mein Anspruch, genau dieses zu erreichen, eine solidarisch-selbstbewusste Mannschaft mit den dynamischen Krallen kreativer Individualisten, welche den Teamgedanken im fußballerisch erfolgreichen Sinne begreifen.

Puh, dieser Oschwald, trägt wieder dick auf, da schwillt die Hirn- und Geduldsmasse. Ich weiß, ich weiß, Herrschaften, aber schließlich bin ich von der „Wacker-Zeitung" um einen Artikel gebeten worden und ich bin froh, dass ich es hinter mir habe. Vielleicht gelingt mir ein anderes Mal ein etwas ordentlicheres Geschreibe.

Übrigens: Wacker heißt frisch, wach, wachsam, tüchtig, tapfer.

In diesem Sinne, lasst uns diesen Verein beleben!

M. Oschwald (Noch-Trainer)

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