Kevin Popp pfeift Derby Schussenried gegen Buchau

"Das Spiel war eine Herausforderung und hat Spaß gemacht"

(wh) - Wenn einer in seiner Freizeit als Schiedsrichter auf dem Fußballplatz steht, kann er es selten allen recht machen. Das hat auch Kevin Popp, einer der fünf Referees des FC Wacker, kürzlich (mal wieder) erfahren - bei der 0:2 (0:1)-Heimniederlage des FV Bad Schussenried (10.) im Bezirksliga-Derby gegen den SV Bad Buchau (13.) vor knapp 300 Zuschauern. „Spaß an dem herausfordernden Spiel“ hat er aber trotzdem gehabt. Doch der Reihe nach:

Kevin Popp, unser 19 Jahre junges Schiedsrichter-Talent trifft an diesem Donnerstagabend etwa eine Stunde vor dem Anpfiff im Zellerseestadion ein - in der Erwartung eines „umkämpften“ Derbys. Er zieht sich um, läuft sich warm und überzeugt sich vom ordnungsgemäßen Zustand des Platzes, insbesondere der Tornetze, ehe er um 18.30 Uhr beide Teams aufs Feld führt.

Nach dem Anstoß für die schwarzgelb-gewandeten Buchauer tut sich zunächst nicht viel: Die Nervosität der beiden noch um den Klassenerhalt bangenden Teams ist unübersehbar. Keinerlei Spielfluss, stattdessen fliegt der Ball immer wieder ins Seitenaus.

 

Großzügige Linie

Nach knapp drei Minuten bläst Popp zum ersten Mal in seine gelbe Pfeife, um ein Foul zu ahnden und einen Freistoß für Buchau zu geben. Der Schütze probiert es aus über 30 Metern direkt und jagt die Kugel viel zu hoch und weit neben das Gehäuse der Weißen. Zwei Minuten bringt ein Gästeverteidiger einen gegnerischen Angreifer im Mittelfeld zu Fall, was einige heimische Fans aufschreien lässt: „Hey Schiri, des war doch a klare Gelbe“. Der Angesprochene belässt es bei einer Ermahnung. Auch in der Folge bleibt Popp bei seiner großzügigen Linie, er lässt das Spiel laufen und unterbricht es selten. Eine Linie, die von den (meisten) Kickern geschätzt wird, aber von manchen ausgenutzt und daher zum Bumerang werden kann.

Was im Zellersee-Stadion nicht der Fall ist: Das holprige Geläuf führt zwar zu vielen Ballverlusten und Zweikämpfen, aber kaum zu sanktionswürdigen Aktionen. Auch nicht bei der zwischenzeitlichen 1:0-Führung in der 16. Minute durch Buchaus Torjäger Fabian Baur, als zuvor einer seiner Mitstreiter aggressiv, aber regelkonform den Ball erobert hatte.

 

Foulelfmeter sorgt für Aufregung

Regelwidrig ist dagegen in der 20. Minute das Verhalten eines Buchauers Abwehrspezialisten im eigenen Strafraum. Zumindest aus Sicht von Kevin Popp, der verhängt nämlich einen Foulelfmeter, weil ein FVS-Angreifer „von hinten in die Beine getreten wurde“. Einige der (vermeintlich) benachteiligten Buchauer Kicker haben es natürlich ganz anders gesehen und protestieren. Was Popp ebenso wenig von seiner Entscheidung abbringt wie ein paar beleidigende Kommentare von den Rängen („Du Grasdackel, des war doch nia em Läba an Elfer“), die er sowieso nicht gehört haben dürfte. Die Aufregung legt sich sofort, als Buchaus Keeper Kevin Muranyi den schwach geschossenen Strafstoß pariert.

Das Spiel bleibt fair, was Schussenrieds Trainer Arndt Schlichtig Mitte der ersten Halbzeit trotzdem nicht von einer lauthalsen Forderung nach „einer Gelben“ für einen Gästespieler abhält - wegen eines „kumulierten Fouls“. Er stößt damit auf taube Ohren. Erst einige Minuten später kassieren die Buchauer zwei Verwarnungen: eine für ein Foulspiel (35.) und eine für das Wegschlagen des Balles (38.).

Wegen zweier Verletzungspausen und darauffolgender Auswechslungen lässt Popp zwei Minuten nachspielen, ehe er die erste Halbzeit abpfeift. Er nutzt die Pause in seiner Kabine, um ein Schluck aus der Wasser-Pulle zu nehmen, vor allem aber, um das Geschehen nochmals Revue passieren zu lassen. Und zur Selbstreflektion. Dann geht’s wieder raus, die zweiten 45 Minuten anpfeifen.

 

Ein Witzbold unter den Zuschauern

Wohlwissend, dass es nach dem Seitenwechsel - vor allem bei knappem Spielstand und in der Schlussphase - auf dem Platz meist rustikaler zur Sache geht und die Zuschauer oftmals zusätzliche Emotionen wecken. So auch bei diesem Derby, bei dem der gegnerische Trainer als „Volltrottel“ tituliert wird oder die landauf landab üblichen Sprüche („Schieri, des isch emmer dr Gleiche“) zum Besten gegeben werden. Aber auch ein Witzbold ist darunter: Nachdem Kevin Popp einen Akteur der Buchauer energisch, aber in moderatem Ton ermahnt hat, brüllt besagter Scherzkeks: „Der schafft auf em Bau, do isch emmer laud, der herd dorum nemma so guad, der hod di idd verstanda.“

Weitaus ernster nehmen die Kicker das Spiel: Sie fighten quasi um jeden Zentimeter Boden. Was mehr Arbeit bedeutet für Popp, aber ihm keine Probleme bereitet. Stets auf Ballhöhe, klar in seiner Gestik und seinen Ansagen trifft er die richtigen Entscheidungen. Dazu gehören vier weitere Gelbe Karten (drei wegen Foulspiels und eine wegen Reklamierens - drei der Verwarnungen kassieren die Schussenrieder). Weitere sechsmal zückt Popp seinen Notizkarte, um die Auswechslungen der Teams aufzuschreiben. Alles Routine für ihn.

 

Turbulente Schlussphase

Turbulent wird es allerdings in der Schlussphase. In der 87. Minute fordern ein paar der Schussenrieder Kicker lautstark einen Elfmeter, nachdem ein Buchauer Verteidiger aus kurzer Entfernung den Ball an die Hand geschossen bekommen hat. Popp winkt sofort ab und begründet dies damit, dass aus seiner (allerdings eingeschränkten) Sicht weder Vorsatz vorgelegen habe noch eine Vergrößerung der Körperfläche.

Der Frust aber sitzt tief bei den Schussenriedern, vor allem bei Tobias Kling: Er lässt sich kurz drauf zu einem üblen Foul an der Seitenlinie hinreißen und sieht völlig berechtigte die Gelbe Karte. Danach schimpft und meckert er und muss darob mit der Ampelkarte (88.) das Feld verlassen.

In der vierminütigen Nachspielzeit tickt dann auch noch sein Teamgefährte Rafael Wildenstein aus: Nach dem zwischenzeitlichen 2:0 von Fabian Baur für die Schwarzgelben (92.) verübt er ein ebenso unsinniges wie brutales Foul (94.), ebenfalls nahe der Seitenlinie. Logische Folge: Er sieht die Rote Karte.

Gleich drauf pfeift Popp ab und marschiert in Richtung Kabine. Klar, dass er sich dabei noch ein paar unflätige Kommentare von dem einen oder anderen FVS-Anhänger anhören muss sowie geharnischte Kritik des erbosten FVS-Trainers. Gelassener reagiert derweil Karl Junker, ehemaliger Schussenrieder Spieler und Urgestein: „Der Schiedsrichter ist nicht schuldig, dass wir verloren haben.“

 

Bilanz von Kevin Popp

Mal abgesehen von der „hitzigen Schlussphase“ sei er mit dem Verlauf des Derbys ganz zufrieden gewesen, bilanziert Kevin Popp hinterher: „Es war mit Sicherheit nicht mein einfachstes Bezirksliga-Spiel, weil es sehr intensiv geführt wurde und der Derby-Charakter immer zu spüren war. Aber solche Herausforderungen machen einfach Spaß und bringen mich weiter als irgendein müder Kick, bei dem nichts los ist.“  

 

i: Für die Leitung eines Bezirksligaspiels wie in Bad Schussenried bekommt Popp 30 Euro. Zudem zahlt der WFV die Fahrtkosten: 30 Cent pro gefahrenen Kilometer.

 

Ein Spieltag aus der Sicht eines Schiedsrichters ...

 

Fotos: Winfried Hummler

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